Mathias Spahlinger

*  15. Oktober 1944

von Peter Niklas Wilson

Essay

»Die Wahrheit erscheint nie als sie selbst, sondern nur als bestimmte Negation einer bestimmten Unwahrheit ihrer Zeit.« Nicht von ungefähr beruft sich Mathias Spahlinger auf dieses Diktum des Frankfurter Sprachphilosophen Bruno Liebrucks: Spahlingers Kompositionen machen nie allein positive klangliche »Mitteilungen«, sondern sind stets auch Versuche, die unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten musikalischer Kommunikation negierend zu reflektieren. Seine Stücke wollen nicht »Wirkung« auslösen, sondern Verständnis. Und Kommunikation in diesem Sinn findet für Spahlinger nur dann statt, wenn dabei auch die Kommunikations-Konventionen berührt werden. Sein Komponieren richtet sich somit gegen den konditionierten Hörreflex, der auf den erprobten Effekt semantisch eindeutig geprägter Klänge und Klangaggregate setzt. Solche Opposition zielt weniger darauf, den bekannten Klängen und Mustern neue, ungehörte entgegenzusetzen, sondern verfolgt in erster Linie die Absicht, die eingeschliffenen Hör-Weisen durch kompositorische Versuchsanordnungen kritisch zu brechen. Ordnung als musikalischer Sinnträger wird de-komponiert, jedoch nicht in einer aggressiven Geste des Befreiungsschlags, sondern als »liebevoll sezierende Durchdringung der Ordnungsprinzipien«. Anders formuliert: »Fürs Denken gilt, daß nur das zu Bewußtsein kommt, was destruiert wird.« Dieses Ethos einer bestimmten Negation zieht sich als roter Faden durch Spahlingers Werk.

Ein erster Aspekt von Spahlingers kompositorischer Ordnungs-Zersetzung betrifft das Verhältnis von gegebenen Ordnungen und ...